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Ein ganz sicher unvollständiger Beitrag zur Tradition des Weihnachtsbaumes

Ich lasse gleich vorweg die Bombe platzen: Nein, der Weinachtsbaum ist kein germanischer, nordischer, paganer oder heidnischer Brauch. Den "heidnisch-germanischen Weihnachtsbaum" erfanden nach 1933 die Nazis in Deutschland und ließen vielerorts "Julbäume" aufstellen, vor denen dann volkstümelnde Reichspropaganda insziniert wurde. Davon distanzieren sich moderne Heiden selbstredend.
Für unsere Altvorderen ist nur überliefert, dass sie ihre Häuser mit immergrünen Zweigen schmückten. Auch überliefert, aber historisch nur wackelig belegt, ist der Ursprung des Weihnachtsbaumes für 1419 in Deutschland, da habe die Freiburger Bäckerinnung einen Baum - behangen mit essbaren Leckereien - in ihrem Zunfthaus aufgestellt. Andere behaupten, dass es im elsässischen Schlettstadt, also Sélestat, war, wo 1521 bei vornehmen Bürgern die ersten Weihnachtsbäume auftauchten. 1527 erwähnen die Mainzer Herrscher in einer Akte „die weiennacht baum“ im Hübnerwald in Stockstadt am Main; ob geschmückt oder nicht bleibt jedoch unklar. Unstrittig belegt, also echt historisch, sind die für 1597 in der Zunftchronik der Bremer Handwerkszünfte beschriebenen geschmückten Weihnachtsbäume.
Den ersten Weihnachtsbaum mit Kerzen schmückte die Herzogin Dorothea Sibylle von Schlesien im Jahr 1611. Der Lichterglanz blieb jedoch lange dem Adel vorbehalten. Erst mit der Erfindung des Stearins (1818) und des Paraffins (1833) konnte sich die einfache Bevölkerung solche unsinnigen Mengen an Kerzen erlauben.
Erstmals literarisch erwähnt ist der geschmückte Christbaum von Goethe 1774 im Werther und ab da ging es so richtig los mit dem Brauch. Plötzlich wollte jede und jeder einen Baum im Haus. Marketing ist einfach alles!
In Wien stand 1814 der erste Weihnachtsbaum bei der sehr angesehenen Gesellschaftsdame Fanny von Arnstein. In Nordamerika wurde der Brauch 1832 erstmals übernommen und 1891 stand zum ersten Mal ein geschmückter Weihnachtsbaum vor dem weißen Haus. 1840 kam der Weihnachtsbaum durch Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha im Buckingham-Palast an und eroberte von dort aus England. Der erste Weinachtsaum auf dem Petersplatz in Rom wurde 1982 aufgestellt.
"Was denn bitteschön der christliche Kontext sei, wenn es wirklich nichts mit heidnischen Bräuchen zu tun hätte!?" ist eine oft gestellte Frage. Meine Recherchen haben mich zu der Erklärung geführt, dass der Weihnachtsbaum ehedem als 'Paradiesbaum' angesehen wurde, dessen Dekoration mit Symbolen des Glücks und der Fülle total stimmig erscheint. In der Alten Kirche war der 24. Dezember nämlich der Tag von Adam und Eva und in Mysterienspielen wurde ihre Vertreibung aus dem Paradies dargestellt.
Natürlich spricht [trotzdem] nichts dagegen, wenn Menschen, die nicht-christlichen Pfaden folgen sich einen Tannen- oder Weihnachtsbaum ins Haus holen und ihn mit den Symbolen ihrer eigenen Festzeit schmücken. Es ist eben nur keine heidnische Tradition und die Christen haben uns auch nicht die Weihnachtsbräuche gestohlen, wie in diesen Tagen schlicht strukturierte Memes gerne verkünden.
Wer, wie ich, einem animistischen Weg folgt und sich das Konzept des Weinachtsbaumes mit dem Weltenbaum Yggdrasil übersetzt, sollte meiner Meinung nach viel eher darüber nachdenken, ob es den Baum als lebende Entität und als Achse des Universums nicht mehr ehrt, wenn mensch seinen Stellvertreter, den Tannenbaum, dort lässt, wo er hingehört: draußen und gut verwurzelt in der Erde. Zur Freude unserer Tierverwandten kann man ihn dort mit Leckerein für ebendiese schmücken. Auch Leihbäume, Alternativweihnachtsbäume oder Bäume aus Recyclingmaterial lege ich der geneigten naturreligiösen und/oder umweltbewussten Leser*in wärmstens ans Herz.
Gern geschehen.
Herzgruß, Dein Urs