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Raunächte, Rauchnächte, Zwölfte

Raunächte, Rauhnächte, Rauchnächte, Zwölfte

 

+++ Warum heißt es Raunächte?

 

Es gibt zwei landläufige Deutungen, die ich beide stimmig finde: einmal die Herleitung für „Rauhnacht“ vom mittelhochdeutschen Wort „ruch“, was haarig bedeutet und bis heute in der Kürschnerei als „Rauhware und Rauchware“ erhalten geblieben ist. Viele kennen sicher das Märchen vom „Allerleirauh“ - da bekommt eine verkleidete Königstochter diesen Spitznamen, weil sie in einen Mantel gehüllt ist, der aus vielen verschiedenen Fellen zusammengesetzt ist. „Vermutlich soll sich das auf die Dämonen beziehen, die in dieser Nacht ihr Unwesen treiben“ schreibt Wiki. Damit könnten die zu unrecht dämonisierten Gefährten der Perchta / Frau Holle gemeint sein oder die Wilde Jagd, deren Reiter:innen sicher auch in dicke Pelze gehüllt sind.

 

Die andere Deutung bezieht sich auf „Rauchnacht“ und damit klar auf das traditionelle Ausräuchern der Häuser und Ställe zur Wintersonnenwende und in den Rau{ch}nächten.

 

Meine persönliche und dritte Vermutung bezieht sich auf das „Raunen“, das ich immer mithöre, wenn es um die Raunächte geht: die Zwischenzeit als besondere Orakelzeit, in der wir das Raunen der Runen besonders gut, besonders leicht verstehen.

 

 

+++ Wann sind die Raunächte?

 

Von wann bis wann die Raunächte "sind" kommt ganz auf die Betrachtungsweise an und es sind viele Seiten zu dem Thema gefüllt worden. Verkürzt dargestellt: Die meinem Erleben nach eher unter Heiden bevorzugte Tradition ist die, ab der Wintersonnenwende in die Raunächte zu gehen, also ab dem 21.12. (Wintersonnenwende) bis zum 2. Januar (Perchtentag). Heute am weitesten verbreitet und klar christlich konnotiert sind die Raunächte vom 24.12. (Heiligabend) bis 6.Januar (Heilige Drei Könige). Für die, die bezüglich ihrer Jahresfeste mit dem Mondlauf gehen, beginnen die Raunächte dieses Jahr ebenfalls am 21.12.2021 und gehen bis zum 02.01.2022, da sie in dieser Tradition immer an dem Neumond enden, der der Wintersonnenwende am nächsten liegt. Es gibt aber auch noch andere Perspektiven auf die Raunächte, durch die sie entsprechend anders im Festzeitraum der „Julzeit“ positioniert werden.

 

 

+++ Was sind die Raunächte?

 

*** Die Raunächte können die Zeit "zwischen den Jahren" sein, die Mondjahr und Sonnenjahr verbinden/ausgleichen, also Gleichgewicht schaffen.

 

*** Die Raunächte können ebenso die letzten dunklen (dunkelsten) Tage des Jahres sein, die Schließtage, in denen wir den Helsweg gehen, bis das Licht zurückkehrt (also die 12Tage vor der Wintersonnenwende).

 

*** Die Raunächte können auch die „sich lichtenden“ Tage sein, mit denen wir aus der Dunkelheit in die Klarheit des neuen Jahres gehen (also die 12 Tage nach der Sonnenwende).

 

*** Die Raunächte können die Brücke zwischen Dunkelheit und Licht sein und daher 6 Tage vor und 6 Tage nach der Sonnenwende liegen.

 

 

+++ Worum geht es meiner Meinung nach?

 

Zunächst einmal geht es um Balance. Es geht darum, dass ein Ausgleich geschaffen wird für die elf Tage bzw. zwölf Nächte, die zwischen dem Mondjahr mit 354 Tagen und dem Sonnenjahr mit 365 Tagen liegen. Diese geheiligte 'Zeit zwischen den Jahren' ist in nicht ganz von dieser Welt – die Schleier und Grenzen, die uns von den anderen Welten trennen, liegen sehr dicht beieinander in dieser Zwischenzeit, verschwimmen, sind durchlässig und erlauben uns so klarere Blicke in die spirituelle Welt, das Reich der Fae, der Alben, Geister und Götter. Und in unsere Zukunft. Der Kontakt zur Anderswelt gelingt besonders leicht, die Raunächte sind also prädestiniert für Ahnenarbeit, Orakel, Wahrträume und Trancereisen.

 

Und es geht um eine Zeit des Innehaltens, des Ausatmens. Eine Zeit der Innenschau, der Rückschau und des Ausblicks in der sicheren Gewissheit, dass das Licht zurück gekehrt ist und sich das Rad des Lebens weiterdrehen wird. Die Raunächte sind eine Zeit der Stille. Die Arbeit soll ruhen und die Menschen ruhig werden nach einem arbeitsreichen Jahr. Traditionell sollen in den Rauchnachtstagen alle Arbeiten auf dem Hof ruhen, u.a. stehen die Spinnräder still, es wird keine Wäsche gewaschen und kein Holz gehackt. Wir bekommen eine Aus-Zeit, in der wir uns be-sinnen können, gewahr werden, wer wir sind, wo wir stehen und was wir im Leben noch wollen, ganz konkret. Erneut und wieder sind wir geborgen in einer mütterlichen Dunkelheit. Unter dem Schutz der Göttin Frigg und unserer Ahn:innen können wir ausruhen, können wachsen und uns in dieser magischen Zwischenzeit auf das Leben des neuen Jahres vorbereiten. Als freundliche Unterstützung können wir zudem Hinweise und Botschaften darüber empfangen, was uns im neuen Jahr erwartet und so unsere persönliche Jahresplanung entsprechend anpassen, um Aufwinde nicht zu verschenken und uns an Gegenwinden nicht sinnlos abzuarbeiten.

 

 

+++ Was ist zu tun?

 

Wie immer: Was Du tun willst, je nachdem in welcher Tradition und in welchem Verständnis der Raunächte Du Dich wiederfindest.

 

Es gibt ellenlange Listen von alten und neuen Bräuchen, Tabus, Empfehlungen, Verboten, Geboten, Glauben und Aberglauben .. vieles davon empfinde ich persönlich als nicht-notwendige Bemühungen, die Größe und Tiefe dieser Tage „beherrschbar“ zu machen und das Meiste bezieht sich darauf, dass aus den alten Gottheiten des Landes Hexen und Teufel gemacht wurden, die es zu bannen und zu vertreiben gilt, was „natürlich“ größtmöglicher Unsinn ist. Diese Dinge will ich gar nicht wiedergeben, lies einfach selbst nach und schau, wo Du in Resonanz gehst, was Dir sinnig oder unsinnig erscheint. Denn auch hier ist nur das wichtig: Dein ureigenstes Gefühl für diese Zeit, Dein individueller Kontakt zur Energie der Zeit und des Landes. Mein Rat ist auch an dieser Stelle: Geh mit Deinen Ahn:innen in Kontakt, den lebenden und den toten, denen des Blutes, denen des Landes und denen des Geistes. Es gibt wohltuende Traditionen in Deinen Linien und Du darfst sie wiederfinden!

 

Nur mach Dich auf einen wilden Ritt gefasst, wenn Du Dich aus der Stube traust! Die äußeren Tage und Nächte gehören der Wilden Jagd, der Percht und ihren Perchtenläufern, Gestaltwandler gehen um und die Götter sind verschwenderisch mit Zeichen

 

Einig sind sich die meisten Traditionen in einem besonderen Punkt:

Jeder Rauchtag, jede Raunacht hat ihre eigene Qualität und steht für ein eigenes Thema. Es lohnt sich mit dieser Energie zu gehen und Dich leiten zu lassen, Tiefen und Weiten in Dir zu erkunden, die an manch anderen Tagen nicht oder nicht so leicht erreichbar wären.

 

Schon in alten Bauernkalendern findet sich die Weisheit, dass jede Raunacht das Wetter für einen Monat des kommenden Jahres kündet. Und zusätzlich kann jede Raunacht einen Monat des kommenden Jahres symbolisieren (die erste Raunacht den Januar, die zweite den Februar usw.), Dir einen Ausblick gewähren, mit welchen Themen und Energien Du wann im kommenden Jahr wirst umgehen dürfen.

 

Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, diesen künftigen Energien und Themen auf die Spur zu kommen. Ich will hier drei nennen mit denen ich seit vielen Jahren gute Erfahrungen mache. Eine wunderbar einfache und dabei sehr kraftvolle Möglichkeit ist es, Lose zu ziehen. Dafür machst Du Dir selbst 12 kleine Zettel mit den Deiner Meinung nach typischen Lebensthemen, gibst sie in einen Beutel/Schüssel/Becher und ziehst daraus jeden Raunachtstag einen. Behalte das Papier den Tag über in Deiner Tasche, reise zu dem Thema, sprich mit Deinen Lieben im Diesseits und im Jenseits darüber, drücke es kreativ aus, so schaffst Du Klarheit und baust eine Brücke, über die Du gehen kannst, wenn die weltliche Zeit dieses Themas gekommen ist. Häufige Themen sind: Erdung , Reinigung, Befreiung, Kommunikation, Verbindung, Liebe&Sinnlichkeit, Lebensauftrag, Transformation, Glaube, Verantwortung, Freiheit, Fülle. Und ich sage es nochmal: Das soll nur als Inspiration dienen. Folge keinen Vorgaben oder gar Dogmen, sondern lass Dir von den guten Geistern die Hand führen, wenn Du zwölf Themen für Deine Lose niederschreibst.

 

Eine andere Variante der Vorausschau ist das Werfen von Runen.

 

Dabei können jeden Tag alle 24 Runen des Älteren Futhark zum Einsatz kommen, zum Beispiel unter Verwendung eines Weltenbaum-Tuches, wie das Bild dieses Beitrages es gezeigt. So detail- und aufschlussreich diese Technik ist, so aufwändig und zeitintensiv ist sie auch. Daher hat es sich eher bewährt, je nach Vertrautheit mit der Runenarbeit, täglich nur eine oder drei Runen zum Thema des jeweiligen Monats im kommenden Jahr zu ziehen. Auch hier empfehle ich, die Runen den Tag über bei sich zu tragen, sie immer wieder anzuschauen, zu bereisen und mit Vertrauten zu besprechen. Mach Dir Notizen, mal Dir ein Bild und schau im kommenden Jahr immer VOR Beginn des betreffenden Monats in Deine Aufzeichnungen.

 

Wichtig: Wenn Du Los oder Rune gezogen hast, beschäftige Dich initial eine Weile mit deren Bedeutung. Überstrapaziere aber Dein bewusstes Wissen nicht, zerdenke nicht was Dir gegeben wurde, sondern gehe den Tag über damit, so dass immer wieder Bilder, Impulse oder Sätze in Dir aufleuchten können, die Du Dir notierst oder auch nicht. Manches Jahr mochte ich Bilder darüber malen, manchmal habe ich gedichtet, gesungen, getanzt oder einfach gar nichts damit getan. Wenn es sich richtig anfühlt, ist es auch richtig.

 

Die dritte Variante eignet sich für Leute, die mit spiritueller Arbeit vertraut sind, die innerlich still werden können, die sich zu öffnen vermögen für die Energien um sie herum und die Botschaften, die uns aus den Neun Welten zufließen. Für mich ist das so: Am frühen Morgen, bevor das Licht herein scheint, sitze ich und lausche, vielleicht meditiere ich, vielleicht gehe ich in Trance, vielleicht atme ich nur, vielleicht tue ich das noch im Bett. Sehr wahrscheinlich bin ich schon draußen in meinem Garten, im Wald oder an der See und warte auf den Sonnenaufgang. In der Blauen Stunde öffne ich mich der Energie der Dunkelheit, dieser urmütterlichen Kraft, lass mich umhüllen und durchdringen und warte still und geduldig darauf, dass in mir eine eine Haltung, eine Klarheit oder Einsicht geboren wird, ein Gedanke, ein Wort, ein Satz dazu, um welches Thema es für mich in dem jeweiligen kommenden Monat gehen wird, was mich herausfordern und was bereichern wird. Sobald das Thema bei mir angekommen ist, schreibe ich es nieder und gebe vorbereitete Opfergaben als Dank. Dann nehme ich es mit in meinen Tag, so wie ich es mit den Losen und den Runen machen würde.

 

Für welche Art der Schau ich mich auch entscheide, am Abend setze ich die Energie des Tages frei, indem ich mich, meine Lieben, mein Haus und meinen Garten räuchere und dabei bewusst das Thema nochmal aufrufe, achtsam damit 'durch meine Welt' gehe. Die Rauchmischung entsteht an jedem Abend neu, da lasse ich mir von den Geistern und Ahn:innen die Hand führen. Mit dem Ende des Räucherns lasse ich die Tagesenergie los, indem ich das Los in meinen Kalender klebe und/oder die Runen zurück in ihren Beutel lege und allen guten Geistern und Begleiter:innen mit artigen Worten und kleinen Opfergaben (Nüsse, Äpfel, Haferbrei, Honig o.ä.) für diese Tagesreise danke.

 

Danach bin ich wieder frei für die nächste Nacht und ihre Wunder.

 

Ich wünsche Dir viel Freude dabei, Deine eigenen Raunächte zu entdecken!

 

Der Segen Deiner guten Geister, heilen Ahn:innen und Göttinnen und Götter mit Dir!

 

Dein Urs Bärenkräfte Barth

Hagazussa