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Herbst-Equinox, Erntedankfest, Mabon

Was wir feiern ..
das Herbst-Equinox, die Herbst-Tagundnachtgleiche. Herbstfest, Erntedank. 'Mabon' (Alban Elfed, Licht des Wassers) heißt das Fest neo-druidisch bei unseren keltischen Verwandten.

Am Dienstag, 22. September 2020, 15:30 ist auf der Berliner Zeit-und-Raum-Achse Herbst-Tagundnachtgleiche. Für uns bedeutet das, dass sich das Tor in die dunkle Jahreshälfte öffnet und wir Abschied vom Sommer, von der lichten Jahreshälfte nehmen. Nach dem Equinox sind die Nächte wieder länger als die Tage und wir werden weniger und weniger Zeit unter Sunnas Obhut verbringen. Das Herbstfest ist nach Leinernte im August das zweite Erntefest und die Zeit des großen Erntedanks.

Zeit, sich zu fragen, wofür wir dankbar sind in diesem Jahr.

Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber als ich mich diesem Sonnenfest näherte, fand ich es erstmals befremdlich, geradezu unangemessen, jetzt ein Fest feiern zu sollen, meine Ernte einzufahren, einzulagern und dann auch noch diesem Jahr Dank zu sagen. Nicht nur sind dieses Jahr die natürlichen Rhythmen des Landes noch weiter verrückt von dem, was wir als tradierte und konstruierte Festtage begreifen [und ja, natürlich, Equinox ist Equinox, aber „letzte Ernte“ war bei uns im Oderbruch schon vor sechs Wochen – ich finde, der Weltrat der Heiden sollte sich da mal zusammensetzen und ausdiskutieren, ob die Festtage überhaupt noch als heidnisch gelten können, wenn sie so wenig mit dem tatsächlichen Geschehen in der Natur zu tun haben; aber das ist ein eigener Beitrag,], es ist schlicht und einfach auch das, was es ist: das Jahr des Virus. Ohne in Diskussionen zu gehen kann mindestens als wahr gelten: Covid-19 hat dieses Jahr und unser aller Leben dominiert.

Soll ich dafür dankbar sein?

Ich bin viel damit gegangen, wortwörtlich. vor allem mit meinem Widerstand. Was will ich nicht sehen? Was ist so schmerzhaft unangenehm? Ich klopfe die bekannten Dinge über diese Festzeit ab .. dass sich in der Erntezeit ganz deutlich bemerkbar macht, wie gut im vorangegangenen Frühjahr und Sommer geplant und gearbeitet wurde, dass unsere Speicher entrümpelt und für die neue Ernte vorbereitet werden müssen, dass all unsere Ernteerzeugnisse, Erfolge und Errungenschaften winterfest gemacht werden müssen, um uns durch Kälte und Dunkelheit zu bringen, dass wir uns jetzt noch nicht zurücklehnen dürfen, weil die Arbeit noch nicht getan ist. Es ist noch nicht Zeit für die Winterruhe.

Damit resoniere ich: Un-Ruhe. In mir. Um mich herum. In den Netzen. Unter der Oberfläche. Gärend, wie der junge Wein dieser Jahreszeit. Sich unvermutet Bahn brechend und dann oft wie im Rausch, schreibt/schreit/wütet sich all die Angst und Not und Ohnmacht heraus, all den privilegierten Frust, dass es kein einfaches, kein schönes Jahr war - die Ideen und Wunschträume vom Jahrhundertsommer mit Traumurlaub und epochaler Liebschaft und den schönsten und geilsten Bildern für Facebook vom schönsten und geilsten Leben und den lebensverändernden Partys, Happenings und Seminaren schwingen mit, ungesagt, weil wir uns damit selbst den Spiegel vorhalten würden, da weichen wir lieber auf andere Dinge aus, die wir im Außen anklagen können. So menschlich, so wenig hilfreich. Aber ich merke, da irgendwo ist auch mein Unwohlsein, meine Verstimmtheit. Ich bin auch gekränkt, beleidigt, traurig, fühle mich betrogen. Betrogen um ein Jahr. Wo ich doch schon so alt bin! Das sollte [endlich] ein gutes Jahr sein, ein glückliches, ein erfolgreiches, ein gesundes. Und ich merke ich meine im Grunde: ein sorgenfreies Jahr.

Dann fühle ich drei Ding gleichzeitig: Erschütterung, Scham und die Augen der Geistigen Welt auf mich gerichtet. Und ich bin mir schlagartig bewusst, WIE privilegiert ich bin, so etwas auch nur zu denken, „ein sorgenfreies Jahr“, das ernsthaft als möglich anzunehmen und gekränkt zu sein, wenn es nicht eintritt. Denn – im Gegensatz zu so vielen anderen Leuten auf dieser Welt - ich habe nicht gelitten in diesem Jahr: ich habe keine Angehörigen und keine engen Freund:innen verloren, ich war mit allem versorgt, was ich brauchte und vielem, was ich wollte, ich war nicht von Obdachlosigkeit bedroht und konnte für meine Arbeit neue Wege finden.

Scheint so, als gäbe es doch etwas, wofür Dank zu sagen mehr als angemessen ist. Warum fällt es mir so schwer, das zu nehmen?

Mit diesem Gedanken öffnen sich die Tore und ich SEHE dieses Jahr, ich sehe all die Lektionen, die vielen Wahrheiten und Auseinandersetzungen, im Innen und Außen, sehe meinen Garten blühen und gedeihen, schmecke die Früchte, rieche die Blumen, bin umschwärmt von all den Bienen und Hummeln und Schmetterlingen, denen wir einen sicheren Ort geschaffen haben. Dank Covid. Ohne diese Unterbrechung des „guten Jahres“ hätte ich mir selbst geglaubt, keine Zeit zu haben, einen Garten anzulegen. Ich sehe auch die Netze und Portale, die ich gekappt und geschlossen habe, sehe die Ent-Täuschung und spüre die Freiheit, die durch Klarheit kommt. Ich spüre den Verlust der liebgewordenen Bilder, die ich mir von Dingen, Orten und Menschen gemacht habe, lache milde über mich und meine Sehnsucht nach einer Heilen Welt. Ich sehe, wie ich dieses Jahr Zeit und Raum hatte zu reifen, meine Profil zu schärfen, mich selbst zu sehen. Und mir gefällt, was ich sehe. Ich freue mich, dass ich die Chance genutzt habe, neue Wege zu beschreiten, Neues zu erkunden, neue Verbündete zu finden und für neue Leute sichtbar und ein Begleiter zu werden.

Was für ein reiches Jahr. Was für eine Lektion in Demut: Ich lebe.

Ich lade Dich ein, diese Zeitqualität für Dich zu nutzen.
Denn auch wenn wir uns auf die guten Dinge in unseren Leben, in unseren Clans und Kreisen und in der Gesellschaften konzentrieren wollen/dürfen/sollen, um diese zu nähren und zu stärken, so ist doch genau jetzt die Zeit, auch all den Schatten mutig und willig zu betrachten. Denn sehen wir „es“ nicht an, zwingt „es“ uns dazu, hinzusehen. Ich denke, genau das ist es, was gerade geschieht: Themen und Traumata, die wir als Einzelpersonen, als Deutsche, als europäische Gesellschaft und als Weltgemeinschaft viel zu lange schon deckeln und ignorieren, zeigen sich nun mit Macht. Riesen kann man nicht einfach unter den Teppich kehren. Und man kann sie auch nicht aussitzen. Zumindest nicht für lange, sagt Thor.

Wie im Großen, so im Kleinen. Wie im Außen, so im Innen. Auch auf der persönlichen Ebene können wir uns dieser klärenden und ordnenden Energie anvertrauen, um zu prüfen und zu erkennen, was und wer in unserem Leben wirklich wichtig ist, wo unbedingt unser aktives Engagement und wo gesunde Distanz gefragt ist. So trennen wir die Spreu vom Weizen und nehmen keinen unnötigen Ballast mit in die dunkle Jahreshälfte und ins neue Jahr, keinen materiellen und keinen emotionalen. Wir lagern nur das ein, was uns nährt und was uns förderlich ist und dann wieder auf unsere Kreise und unsere Gesellschaft zurück strahlen kann. Das macht uns handlungsfähig und wir können in der Welt wirken. Es wird jede Hand und jedes Herz dringend gebraucht!

Zum Abschluss teile ich mit Dir hier mein Erntedankgebet dieses Jahres:
„Ich danke für die Wärme und das Licht des Sommers, für die Blüten und Früchte und für alle von den freundlichen Leuten der Neun Welten hervorgebrachten Kostbarkeiten. Ich danke für das Privileg so beschenkt zu sein, in Sicherheit zu leben und ohne Not zu sein. Ich danke für Begegnungen und Lektionen, für Abschiede und Neuanfänge. Ich bin stolz auf alles, was ich dank meines Vertrauens in die Impulse der Geistigen Welt, meines Engagements und meiner Arbeit von Herz, Kopf und Hand in die Welt bringen konnte. Und ich danke zutiefst dafür, dass vieles davon mit der Unterstützung meiner Ahn:innen und Guten Geister gedeihen und wachsen konnte. Ich danke Euch, meine vielgeliebten Gött:innen und Götter für alles Bereichernde und Herausfordernde, für all die Gnade und das Glück, die ich in der lichten Jahreshälfte erleben durfte, die ich erst jetzt sehe und zu verstehen beginne. Ich danke für das, was mich nährt an Körper und Geist, an Herz und Seele – denn das ist es, was mich durch die Dunkelheit tragen wird.“

Gesegnetes Equinox allen Wesen in allen Welten.
Mögen wir einander in Frieden finden.
Dein Urs Bärenkräfte