Die sein, als die wir gemeint sind

Wir treten in Kontakt zu echten Energien und Wesenheiten, unsere Reisen führen uns in real existierende, bewohnt und belebte andere Wirklichkeiten. Das ist Arbeit, die Respekt verlangt.

Hagazussa zu sein nimmt den zentralen Platz in meinem Leben ein.

*Hagazussa* stammt aus dem Mittelhochdeutschen (1050-1350 n.d.Z.), findet sich ganz ähnlich im Mittelniederländischen und im Altenglischen und bedeutet "Heckensitzer:in" und "Zaunreiter:in". Die, die auf der Hecke sitzt, im Haag, der Innen von Außen trennt, geordnete Menschenwelt von der wilden Welt der Tiere und Geister, Diesseits und Jenseits. *Hexe* gilt für alle möglichen Geschlechter und hat - im Sinne der Berufsbeschreibung "spirituelle Spezialisten" - eine sehr ähnliche Bedeutung wie 'Schaman:in' in anderen Kulturen. Die Bezeichung "šaman" stammt aus der mandschu-tungusischen Sprache und heißt in etwa soviel wie „Jemand, der weiß“. Richtigerweise sollten also auch nur Menschen dieser Volksgruppe als Schaman:innen bezeichnet werden. Jede Kultur hat ihre eigenen bezeichnenden Worte, Namen und Titel, es lohnt sich, sie wiederzufinden. 

Die Berufsbezeichnung Hagazussa meint
Menschen, die fähig sind, willentlich und zielgerichtet in Trance und Extase zu gehen und daraus zurückzukehren, um zwischen den Welten zu reisen und zu vermitteln, die mit Ahn:innen, Geistwesen und ggf. Gottheiten kommunizieren und durch die die Kraft der geistigen Welt zu heilerischen und zauberischen Zwecken fließen kann. Hagazussas transportieren bei Bedarf Energien/Kräfte/Elemente zwischen den Welten, in die Vergangenheit, in die Zukunft oder in andere Dimensionen. Sie verbinden Energien und trennen sie, sie rufen herbei und schicken fort. Diese Fähigkeiten und Kenntnisse stellen sie in den Dienst von einzelnen Leuten und Gruppen, die sie damit beauftragen, für die sie die Verantwortung übernehmen - auf Zeit oder langfristig. Sind Hagazussas in Gemeinschaften eingebunden, sind sie meist auch die Hüter:innen von Geschichten, Werten und Überlieferungen.

In der Geschichte der Menschheit wurden in vielen ursprünglichen/ schamanischen Kulturen weltweit besonders transsexuelle Personen zu Heiler:innen, Schaman:innen und Berater:innen berufen, da dieses So-Sein a
ls ein starkes Geschenk der Geister verstanden wurde, die den Menschen gegebenen Grenzen überwinden zu können. Ob angeborene Trans*- oder Intersexualität oder rituelle Transsexualität, unter den Begriffen Two-Spirits, Double-Soul, Zweigeist, Halbmond etc. finden sich in vielen Kulturen Zeugnisse dieser Tradition. Als trans* Mann empfinde ich mich als Erbe dieser Geschichte und es gehört gleichermaßen zu meiner persönlichen Entwicklung, wie auch zu meiner Erinnerungsarbeit, dieses Vermächtnis zu ehren und lebendig zu halten.


Seit einigen Jahren leite ich allein oder gemeinsam mit anderen nordisch-germanische Jahreskreisfeste und druidische Rituale. Ich bin Ritualleiter bei Beerdigungen und Hochzeiten, halte den Raum für Kreise, individuelle Heilsitzungen und Zeremonien. Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt dabei auf Entsetzungen von Menschen, Tieren und Orten, sowie auf dem Lösen unguter Verbindungen in allen Zeiten und der Aufhebung von lebenskraftzehrenden Altlasten (Schwüre, Verträge, Versprechen, Schuld), sowie dem Unterrichten dieser Techniken und der Begleitung von Menschen, die ihren eigenen spirituellen Weg finden und gehen wollen.

Ich halte Vorträge zu spirituellen Themen [ein paar Sachen findest Du unter Artikel und Texte], gebe Workshops und Seminare, beteilige mich z.B. an paganer Öffentlichkeitsarbeit und der Langen Nacht der Religionen in Berlin. Diese Öffentlichkeitsarbeit für heidnische Belange ist mir ein Herzensthema, weil ich fest davon überzeugt bin, dass in der Wiederentdeckung unserer animistischen Spiritualität ein großes Heilpotential liegt, für uns als Individuen, für unsere Gesellschaft und für das Wohl der Welt.

 

Seit 2018 gibt es (fast) jedes Jahr eine bewusst sehr kleine Ausbildungsgruppe, die ich einen, zwei oder drei Jahreskreise lang auf ihrem Weg zu ihrem individuellen Hagazussa-Sein begleite. Meine eigenen Lehrer:innen und Vorbilder kommen aus verschiedenen Kulturen und folgen verschiedenen Pfaden. So kommen über die Jahre in mir Lehren aus den beiden Amerikas, Grönland, Österreich, England, Deutschland, Island, Burjatien und Tuwa zusammen. Dabei bediene ich mich aber nicht "nach Belieben" in anderen Kulturen, sondern lasse mich berühren und erinnern: Die Unterweisungen und Einsichten, die meine Lehrer:innen mir vermitteln, fließen in die mir so wichtige Erinnerungsarbeit - die Rück-Erinnerung an unser indo-europäisches spirituelles Erbe.

 

In meiner Arbeit fühle ich mich vor allem dem Animismus und der germanisch-nordischen, einer der indoeuropäischen Spiritualitäten, verpflichtet. Dieses spirituelle Erbe ist uns in der Geschichte unseres Kontinentes fast vollständig entrissen worden. Aber eben nur fast. Europaweit arbeiten Menschen daran, das in historischen Schriften, archäologischen Funden und oft im Volks-Aber!-Glauben, in Märchen und Sagen und in der Erfahrungsheilkunde versteckte Wissen wieder zu entdecken, zu entschlüsseln und zu beleben. Auch wir Nordeuropäer:innen haben einen spirituellen Schatz, den es zu heben gilt, damit wir damit unseren Beitrag im großen Rat der Menschheit und in der Gemeinschaft aller Wesen leisten können. Da uns oft noch die Worte fehlen, behelfen wir uns damit, von europäischem Schamanismus oder von nordischem und germanischen Schamanismus, von keltischem oder slawischem Schamanismus zu sprechen. Das ist so nicht richtig, muss aber als Hilfskonstrukt akzeptiert werden, bis wir im Zuge der Auseinandersetzung damit und durch die Erinnerungsarbeit zurück zu unseren eigenen Namen, Titeln und Berufsbezeichnungen für spirituell und magisch Wirkende kommen. Siehe dazu mein Projekt "Alte Namen".


Ich lebe mit Ehemann und Hund auf dem Lande und verbringe die meiste freie Zeit im Wald, am See und in unserem Garten, wo ich sitze, lausche, von den Tier- und Pflanzenleuten lerne und mit deren Wohlwollen u.a. unser eigenes Gemüse und Räuchergut anbaue. In der Zeit vor der Hagazussa habe ich Biologie, Psychologie und Pädagogik studiert, bin Veranstaltungskaufmann gewesen und habe mehrjährige Ausbildungen in Homöopathie, Phytotherapie, Leibarbeit und Entspannungsverfahren abgeschlossen. Immer auf der Suche nach dem, was mich nährt, was mich erfüllt. Doch ohne den Ruf der Geister war alles nichts, nichts hat mich glücklich gemacht, nichts hat sich richtig oder ganz angefühlt. Erst meine Hingabe an das Hagazussa-Sein, nach langer Gegenwehr, hat mich an den richtigen Platz - an meinen Platz - in der Welt gestellt.