Winternacht, Àlfablót, Dísablót

 Was wir feiern können ... Winternacht (Deutschland), Álfablót (Schweden), Disablót (Island)

 

altnordisch: Vetrnóttablót, angelsächsischen:Winterfylleth, neu-keltisch: Samhain, alt-irisch: Samuin oder Samain, walisisch: Nos Calan gaeaf, die Nacht des Winteranfangs.

 

Es ist das erste der drei in Sagas überlieferten vor-christlichen dreitägigen Jahres- resp. Opferfeste in Skandinavien. Zu diesem wurden Opfer für gute Ernte gebracht und die Verbindung mit den weiblichen Ahninnen und Göttinnen (den dìsir/ Disen) geehrt. Opfer für den Gott Freyr sind in der Gisla Saga für diese Zeit verzeichnet und da er der Herr der àlfar/ Alfen (Elben, Elfen) ist, liegt die Vermutung nahe, dass es deshalb auch als Álfablót überliefert wurde. Für mich gibt es da kein Entweder-oder, das Àlfablót ist imho keine Alternative zum Ernte- und Ahninnenfest, da ich die Àlfar, die Naturgeister, als Teil meiner/ unserer kollektiven Ahnen-des-Landes verstehe.

 

Die Feierlichkeiten kreisen zwar um einen gemeinsamen Zeitraum, sind aber regional doch leicht verschieden - was für landwirtschaftlich geprägte Kulturen ganz folgerichtig ist, ist doch die Zeit, wenn die Ernte eingebracht und die Hausgärten winterfest gemacht sind, abhängig vom Wetter und das wiederum von den Breitengraden, auf denen wir leben. Gemeinsam ist uns, dass die eingefahrene Ernte noch verarbeitet und haltbar gemacht werden muß für die kalte Zeit. Auch gilt es Entscheidungen zu treffen, was bleibt und was gehen muss ... so heißt der November denn auch 'Blutmond', weil alle überzähligen Tiere, die unsere Ahn:innen nicht durch den Winter bringen konnten, geschlachtet wurden. Und was jetzt noch an Früchten und Kräutern draußen zu finden ist, das gehört nach dem Fest nur noch den Tierleuten und den Naturgeistern und ist ab sofort tabu, es ist „puk“. Traditionell ist die Winternacht ein Fest, dass im Kreis der Familie/ der Hofgemeinschaft begangen wurde und das in der Verantwortung der Hausherrin lag.

 

Die Winternacht - nicht zu verwechseln mit der Weihnacht - ist ein Mondfest (im neo-keltischen Raum ein Neumondfest, im nordisch-germanischen ein Vollmondfest) und wird, je nach Region zwischen Mitte Oktober und Anfang November begangen. Bezieht man sich auf den u.a. von Nordberg rekonstruierten lunaren Kalender, dann wurde Winternacht zu dem Vollmond gefeiert, der auf den ersten Neumond folgt, der auf das Herbstequinox folgt: dieses Jahr der 17.10.2024. Die modernen Schweden feiern überwiegend um den 15.10. herum, die Isländer feiern auf einen Oktobersonntag, der zwischen dem 21.10. und 26.10. liegt und in unseren Breiten feiern wir meist entweder genannten Oktobervollmond oder zum ersten Novembervollmond (dieses Jahr ist das am 15.11.2024) oder fix in der Nacht vom 31.10. auf den 01.11., was auch dem neo-keltisch-druidischen Samhain und dem christlichen Fest Allerheiligen resp. dem modernen Halloween entspricht.

 

Wie meist sind Rituale nicht im Detail überliefert, so dass wir uns führen und inspirieren lassen dürfen, wie wir unsere Feste ausgestalten. Seit einigen Jahrzehnten gibt es neue Rituale und Festabläufe, die auch in den losen Communitys der (nordischen) Àsatru und der (keltischen) Druids ähnlich, aber nicht gleich sind. Wer sich unsicher ist, wie dieses Jahresfest begangen werden kann, findet dort Rat und Unterstützung. Abgesehen von der Betrachtungen historischer Quellen und moderner Interpretationen können wir uns auch bewusst in die Zeitqualität begeben. Lassen wir uns auf die Energie dieser Zeit ein, spüren wir das Ausatmen der Göttin, der Mutter Erde, die sich darauf vorbereitet, bis zum Frühjahrsfest, dem neu-heidnischen (schwedisch adaptierten) Dísablót (neo-keltisch: Imbolc) zu ruhen und Kraft zu schöpfen. Wir können spüren, wie sich Licht und Zeit wandeln, der Rhythmus des Lebens um uns herum sich verändert, langsamer und langsamer wird. Willst Du es Dir nicht schwerer machen als nötig, beginne jetzt keine neuen Projekte und lichte Deinen Terminkalender.

 

Die Zugvögel verlassen unsere Breitengrade und viele unserer Tiervettern ziehen sich mehr und mehr in ihre Winterbaue zurück; das Land verliert in einem letzten Rausch seine Farben. Die Grenze zwischen den Welten beginnt durchlässig zu werden. Die keltische Erfahrung sagt, dass wir jetzt unseren Ahn:innen begegnen können. Unsere Verstorbenen und die Geister derer, die noch geboren werden sollen, wandeln in dieser Nacht auf der Erde, um uns zu besuchen. Um ihnen den Weg zu weisen, stellen wir Lichter in den Fenstern auf. Um diejenigen Geister fern zu halten, deren Platz nicht bei uns ist und die nur Unruhe stiften wollen, hängen wir selbstgemalte Dämonengesichter auf oder schnitzen aus Rüben oder Kürbissen schaurige Fratzen, die als Wächter vor die Tür gestellt werden.

 

Die Zeit, die der Winternacht folgt, sind die melancholischen Tage des Novembers, die eine Zeit der Auseinandersetzung mit unserer eigenen Vergänglichkeit und eine Konfrontation mit dem Tod sein können. Eine Chance, uns selbst in dieser Stille wahrhaft zu begegnen, bevor wir zu Jul in die Gemeinschaft zurückkehren. Vor fünf Jahren wiesen mich Ahnleute&Geister bei der Vorbereitung an, zur Nacht so weit allein mit einer Laterne in den Wald zu gehen, dass ich die Lichter der Häuser gerade noch ahnen könne und mich dann niederzusetzen und dem Wind und den Bäumen zu lauschen. Mir selbst zu lauschen. In ihnen. Geworden ist daraus eine Tradition, ein Utisetta in dieser aufgeladenen Nacht, bevor ich die Feuer entzünde, bevor ich Dank sage und Opfer gebe. Ich empfinde das Lauschen dieses Jahr umso wichtiger, als das es eine Menge gibt, was wir kollektiv nicht hören wollen, was wir nicht sehen und nicht fühlen wollen. Vielleicht fällt es leichter, wenn wir uns von unseren Großmüttern umgeben wissen, in der Dunkelheit die Augen für den Zustand unserer Welt zu öffnen.

 

Und einen Rat mag ich Dir dieses Jahr weitergeben, den ich auf einer Reise von der Ältesten empfangen habe. Es betrifft die Hornrunden bei einem Blót, das Sumbeln: Wir sollen eine Runde uns selbst als Ahnleuten widmen. Davon erzählen, was wir uns wünschen, das über uns gesagt werden wird, wenn wir Ahnen geworden sind. Wir sollen diese Rede über uns selbst als Verpflichtung wahrnehmen, uns danach auszurichten, um diesen Wunsch durch das Leben, das wir führen, selbst zu erfüllen. Dabei gibt es keinen Unterschied, ob wir einmal Ahnen des Landes, des Geistes oder des Blutes sein werden. „Ahnenlinie“ ist nichts, was hinter uns in der Vergangenheit liegt – wir sind der lebendige Teil der Linie, der Teil, der bewegen, wandeln und heilen kann, der entscheidet, wie es weitergeht. Eine große Verantwortung, derer wir uns wieder bewusst werden sollen.

 

Ich wünsche Dir und mir und all unseren Lieben, wo auch immer sie sein mögen, eine gesegnete Winternacht!

 

All Deine Guten Geister mit Dir!

Urs Grágás Bärenkräfte Barth